Kunstveranstaltungen haben den Rudolphsplatz im Jubiläumsjahr immer wieder zu einem Ort der Begegnung gemacht – wie hier bei der Finissage von „Unter Orten II“ und „Licht und Schatten II“. (Foto: Beatrix Achinger, i. A. d. Stadt Marburg)
01.11.2022
Stadt Marburg/Marburg800
Offene Ateliers

Kunst am Rudolphsplatz: Finissage für „Unter Orten II“ sowie „Licht und Schatten II“

15 Künstler*innen haben mit „Unter Orten II“ sowie „Licht und Schatten II“ durch ihre Projekte künstlerisch den Rudolphsplatz gestaltet und verwandelt. Die Arbeiten sind Teil des Stadtjubiläumsprojektes Kunst.Labor.Stadt.Platz von „Marburg erfinden“. Nun haben die Künstler*innen – Studierende, Ehemalige und Lehrende am Institut für Bildende Kunst der Philipps-Universität Marburg – ihre Projekte bei einer Finissage rund 150 Besucher*innen präsentiert.

„Zum Jubiläumsjahr haben wir den Rudolphsplatz in ganz unterschiedliche Stimmungen getaucht gesehen. Kunst hat uns immer wieder ganz andere Blickwinkel auf einen Platz eröffnet, der etwas aus dem alltäglichen Blickfeld geraten war. Und auch jetzt zum Abschluss bin ich fasziniert, was Sie sich ausgedacht haben“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zu den beteiligten Künstler*innen bei der Finissage am Rudolphsplatz. Einen besonderen Dank richtete der Oberbürgermeister an Professor Klaus Lomnitzer, Direktor des Instituts für Bildende Kunst an der Philipps-Universität Marburg: „Es war eine wunderbare Idee, diesem Platz einen neuen Charakter zu geben.“

Im Rahmen des Stadtjubiläumsprojektes „Kunst.Labor.Stadt.Platz“ haben insgesamt 15 Künstler*innen über einen Zeitraum von zwei Wochen Kunstprojekte am Rudolphsplatz realisiert. Interessierte konnten Gegenwartskunst so direkt beim Entstehen erleben. Zusätzlich gab es Aktionen und öffentliche Gespräche mit den Künstler*innen. Nun haben sie bei einer Finissage die fertigen Projekte präsentiert.

Zu erleben waren unterschiedlichste Kunstformen: Im Depot, einem dunklen, tunnelartigen Raum, waren Arbeiten unter dem Titel „Licht und Schatten II“ auf eine Wand mit nachleuchtender Farbe projiziert. Die Arbeiten waren im Zusammenhang mit Seminaren am Institut für Bildende Kunst der Philipps-Universität Marburg unter der Leitung von Linda Falk entstanden.

Auch „Unter Orten II“ präsentierte seine Kunst: Rubens Präg zeigte seine Bemalung der Wand unterhalb der Straße und thematisierte im Entstehungsprozess seines großformatigen Panoramas Ästhetik und Verfall architektonischer Ruinen. Anja Köhne projizierte in schwarz-weiß eine Friedenstaube in einer menschlichen Hand auf eine Fensterfläche. Miriam Wahl hatte Fenster mit einer Mischung aus Pigmenten und Buttermilch mit abstrakten Formen und Flächen bemalt und greift dabei am Rudolphsplatz vorgefundene Elemente auf. Mingming Guo präsentierte Plakate, die Fotografien von kuscheligen Stofftieren in Dialog mit schmelzenden handförmigen Eisskulpturen setzte. Mazen Abdalli zeigte in einem Container eine Installation aus plastischen Papier-Formen, Zeichnungen und Skizzen von Marburger Gebäuden und Porträts, die in der Zeit der privaten Isolierung während des Lockdowns entstanden waren.

Thematisiert wurden in den Arbeiten außerdem von Sarah Steger mit ausrangierten Glühbirnen die „Wegwerfgesellschaft“, von Sara Tavangar der Klimawandel mit einer künstlerischen Umformung eines Wasserstandsanzeigers, das Artensterben mit grafischen Plakaten im Stil von Vermisstenanzeigen sowie die Periode mit einem gehäkelten Wollfaden von Ren Ruiqui. Sophia Bizer zeigte eine Sammlung und künstlerische Anordnung grüner Alltagsgegenstände und Niels Pahl schuf mit seinem Kunstwerk „Eschaton womb“ einen Kuppelbau aus Holzgerüst und beschrifteter Folie: gleichsam ein Schutzraum und eine Thematisierung der Vergänglichkeit der Dinge. Bijan Aleahmad verknüpfte Elemente von Typographie, Graffiti und Street Art für Statements, die mit einem Augenzwinkern die Eigenheiten des Rudolphsplatzes kommentieren.

Bei der Finissage stellte Professor Klaus Lomnitzer im Gespräch mit Sarah-Lea Langner von „Kunst.Labor.Stadt.Platz“ und den verantwortlichen Künstler*innen vier Projekte vor: „Dieser Platz ist heute nicht nur voll mit Leuten, sondern auch mit vielen visuellen Eindrücken“, begann Lomnitzer. „Dabei war Kunst an einem Platz und mit den vorgefundenen Gegebenheiten zu schaffen für die meisten eine komplett neue Erfahrung.“ Dies merkte zum Beispiel Rubens Präg bei seiner Wandmalerei an der „Galerie“ genannten Wand unter der Straße sehr bald: „Ich wollte eigentlich die Ruine vom alten Lokschuppen malen, ich hatte auch ein Foto. Aber die Vitrinen in der Galerie zwangen mich zum Umdenken.“ Wie Lomnitzer ausführte, verfolge Kunst im öffentlichen Raum in der Regel eine ganz bestimmte Funktion. Rubens Prägs Malerei sei aber so realisiert worden, dass man noch den Prozess der Entstehung sehen und nachvollziehen könne.

Die als Hände geformten Eisskulpturen von Mingming Guo sollten das Leben im Augenblick repräsentieren: „Das Leben ist kurz, fließend und zerbrechlich. Die Eis-Hände sollen anregen, jeden Augenblick zu genießen“, stellte Guo ihre Kunst vor und auch Professor Lomnitzer betonte: „Alle Kunstprojekte hier am Platz schärfen unsere Wahrnehmung.“ Anja Köhne ist Dozentin am Marburger Institut für Bildende Kunst. Ihre Projektion einer weißen Taube in menschlicher Hand sei aus dem Gefühl entstanden, durch äußere Umstände nicht mehr frei zu sein. Als sie sich mit der Idee auf die Suche nach Taubenzüchter*innen machte, durfte sie ein Tier sogar in die Hand nehmen, woraus das Video entstand. Bis in die Abendstunden gab es zur Kunst im Anschluss Musik zu erleben, von elastic und DJ*IXA.

Das Kunstprojekt „Unter Orten“ ist eine Kooperation des Instituts für Bildende Kunst der Philipps-Universität Marburg mit dem Fachdienst Kultur der Universitätsstadt Marburg für den Jubiläumsschwerpunkt „Marburg erfinden“ zum 800. Stadtgeburtstag. Die erste Phase von „Unter Orten“ fand von April bis Mai statt.

Hintergrund

Kunst.Labor.Stadt.Platz ist eine Projekt- und Veranstaltungsreihe im Rahmen des Stadtjubiläums Marburg800 im Kontext des Schwerpunktes „Marburg erfinden“. Initiatorin der Kunstprojekte am Rudolphsplatz ist die AG Kunst zusammen mit dem Fachdienst Kultur der Universitätsstadt. Sie ist ein Zusammenschluss von Marburger Kunstprojekten und Institutionen: Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), KulturNetzwerkFotografieMarburg, KunstWerkStatt Marburg, Hiobs Bar, Institut für Bildende Kunst, Mitarbeiterinnen des ehemaligen Instituts für Kirchenbau und Kunst der Gegenwart, Marburger Kunstverein und Museum für Kunst und Kulturgeschichte.

Weitere Informationen finden Sie auf der Projektseite von Kunst.Labor.Stadt.Platz.

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