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Felszeichnung in der Höhle Chauvet/Ardèche: Eiszeitliches Wollnashorn, bis zu 2 Meter groß, 3,5 Meter lang und 3 Tonnen schwer. In Marburg wurde in Ockershausen ein Wollnashornknochen entdeckt.

Mögliche Spur menschlichen Lebens in der Eiszeit
Das Marburger Wollnashorn — oder: Wie alles anfing …

Das könnte ein spektakulärer Kampf mit ungewissem Ausgang gewesen sein: Unter den Wollnashorn-Knochen, die im letzten Jahrhundert in Marburg ausgegraben werden, ist der einer linken Speiche ganz besonders aufsehenerregend. Denn das Fundstück unter der ehemaligen Ziegelei Reising im Stadtteil Ockershausen (Foto) weist ein kreisrundes Loch aus — für den einstigen Marburger Geologie- und Paläontologie-Professor Reinhold Huckriede das Einschussloch einer menschlichen Wurflanze oder eines Stoßspeers. So zumindest hat er es in dem so renommierten wie voluminösen Opus „Marburger Geschichte“ auf mehreren Seiten ausgeführt.

Die linke Speiche eines Wollnashorn wurde unter der ehemaligen Ziegelei Reising
im Stadtteil Ockershausen gefunden und sorgte für Aufsehen.
Foto: Richard Laufner

Wollnashörner, bis zu zwei Meter hohe, dreieinhalb Meter lange und drei Tonnen schwere Pflanzenfresser, existierten bis zum Ende der Eiszeit 10.000 v. Chr. Infolge der Erderwärmung und wohl auch der menschlichen Jagd verschwanden sie von unserem Planeten. Das Marburger Wollnashorn muss laut Prof. Huckriede von links vorne angeschossen worden sein. Längere Zeit dürfte sich das Geschoss im Knochen und Fleisch gehalten haben. Nach der Entzündung der Wunde hätte sich der Eiter eine Bahn durch den Knochen gesucht. Darauf deuteten vereiterte Knochenwände und die Ausbuchtung des Einschusslochs hin. Ob die unerschrockenen Marburger Jäger diese Attacke auf das ungemütliche Großwild überlebt haben?

Ockershäuser Wollnashornknochen der linken Speiche35 –11.000 v. Chr.: Einschussloch mit Erweiterung für den Eiterabfluss?
Foto: Richard Laufner

Die Experten des Naturkundemuseums Kassel, in dessen Depot der Wollnashornknochen lagert, melden zwar Zweifel an der Deutung des Marburger Forschers an. Und auch ein jüngst erfolgter CT-Scan in der Marburger Klinik für Radiologie kann diese Deutung nicht unterstützen. Aber ist das ungewöhnlich bei einem Forschungsfeld, das 13–35.000 Jahre zurückliegt und bei dem keine Kloster- Chronik oder gar Youtube-Dokumentation die heikle Großwildjagd des nomadisierenden Jäger- und Sammler-Clans beglaubigt?

Zudem: Die möglicherweise erste Spur menschlichen Lebens- und Überlebenskampfes im eiszeitlichen Marburg ist viel zu dramatisch, um sie unerwähnt zu lassen. Und daran, dass einst Wollnashörner von unseren Vorfahren mehr oder weniger unbehelligt durch die Marburger Steppe gestampft sind, daran gibt es gar keinen Zweifel!

Die Oberhessische Presse zumindest fand die Geschichte so spannend, dass sie sich auf Vermittlung des Marburg800-Teams zum Aufkauf des bundesweiten Plüschtier-Wollnashorn-Bestandes (ca. 460!) motivieren ließ. Beim Stadtjubiläum Marburg800 soll der an geeigneter Stelle eingesetzt werden. Der „Oberhess“ wird uns also in puncto Marburger Wollnashorn weiter auf dem Laufenden halten …

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© Januar 2022 - marburg800