Marburg erinnern!

„Marburg erinnern“  - so heißt neben „Marburg erleben“ und „Marburg erfinden“ einer von drei Jubiläumsschwerpunkten im großen Marburg800-Jahr. Der Blick in die Vergangenheit wird dabei mit dem Bezug zur Gegenwart und den Fragen der Zukunft verbunden.

Wie soll das gehen? Unsere Stadt wird 800 und wir wollen „Marburg erinnern“?

 „The past is a foreign country!” - wird in Historiker*innenkreisen gerne zitiert. Wenn „die Vergangenheit ein fremdes Land“ ist, dann kann das Neugier auf Unbekanntes wecken. Und deshalb setzt „Marburg erinnern“ im Jubiläumsjahr einen Fokus auf die entfernteste und fremdeste Zeit der Stadtgeschichte: das 13. Jahrhundert.

Und wir entdecken neben der eigentlich so rätselhaften heiligen Elisabeth und ihrer machtfreudigen Tochter Sophie eine Stadt im explosiven Aufbruch. Keine Stadt hinter den sieben Bergen, sondern eine „Civitas“, aus dem Lateinischen übersetzt eine Stadt, die vielfältig in die europäische Zeitgeschichte eingewoben ist.

Eine Stadt im Aufbruch

Nur ein Roman, so die Überzeugung, kann das gebührend erfassen. Nur ein begleitendes faktenstarkes Geschichtsbuch kann die Zweifel am ungewöhnlichen Blitzstart Marburgs im 13. Jahrhundert beseitigen und am Bauboom mit Elisabethkirche, Ausbau des Schlosses zur Residenz und mit der ersten steinernen Brücke über die Lahn. Das Dreh-Buch „1222", das Roman und Wissen zwischen zwei Buchdeckeln vereint, wurde als erstes Projekt von „Marburg erinnern“ aus der Taufe gehoben und nimmt all das in den Blick. Mit Autor Daniel Twardowski, Stadtschrift-Bestsellerautor von „Die von Marpurg und die Welt Martin Luthers“, und dem international renommierten Illustrator Vitali Konstantinov wohnen zwei ausgewiesene Wort- und Bildkünstler in den Mauern diese Stadt.

Danach ging das Kuratieren von „Marburg erinnern" wie von selbst. 

  • Keine platte Erfolgs- oder Herrschaftsgeschichte?  Das kommt zum Beispiel in der Publikation „Skandal?!“ zum Ausdruck, die sich mit dem 20. Jahrhundert beschäftigt, mit einem Film über die Lebensgeschichte einer Sinteza, einer Frau der Sinti, oder und mit dem Themenweg „Marburg im Nationalsozialismus“.
  • Blick auf die ganze 800-jährige Historie? Wir präsentieren auch die kritische 800-Jahre-Frauengeschichte und den Themenweg „Marburg800“, der Marburger*innen und Gäste zum Stadtspaziergang einlädt.
  • Neue Zielgruppen? Gerne - mit einem „Tag der Stadtgeschichte" von und mit Marburger Schüler*innen oder mit einem wundervollen historischen Malbuch für die sehr jungen Marburger*innen.
  • Neue Wege? Mit neuen Ausstellungskonzepten und 8 Objekten für acht Jahrhunderte vom Rathaus bis zum Schloss, mit Stadtgeschichte(n)
  • Professionelle historische Forschung, aber kein ausschließlich akademisch-spezialisiertes Fachhistorikertum? Dafür trat ein Zitat aus der „Reinhardsbrunner Chronik“, das die Ersterwähnung Marburgs 1222 dokumentiert, seinen Siegeszug in der Jubiläumsplanung an. Denn „cum burgensibus civitatis“ hatte Landgraf Ludwig, Ehemann der später heiliggesprochenen Elisabeth, verhandelt“, mit den „Bürgern der Stadt“. Damals als Herrschaftssicherung, heute für uns weitergeführt als demokratisches Prinzip: #wirsindmarburg800 wurde Motto und Selbstläufer für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Scharfsinn, Lust und Engagement ins Jubiläum einbringen: mit einem Geschichtenladen in Weidenhausen, einer spektakulären 3D-Projektion auf das Rathaus, mit Marburger Sprach- und Musikgeschichte oder einer in die Stadtgeschichte Marburgs sondierenden Stadtschreiberin aus Wien…

Die Vorsitzende des Ausländerbeirats freut sich in ihrem Beitrag zum „Programm-Buch“, dass „auch wir Ausländerinnen und Ausländer gebeten werden, uns mit unserer Stadtgeschichte und der neuen Heimat auseinanderzusetzen. Dadurch ist uns klarer geworden, dass auch wir dazu gehören, nämlich zu einer gemeinsamen Heimat, an der wir alle teilhaben.“ Marburg erinnern – Zeitreise in ein „foreign country“? Gewiss, aber auch ein Impuls für gemeinsame Identitätsfindung.

 

Dr. Richard Laufner

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