Ruth Fischer (von rechts, Fachdienstleiterin Kultur), Stadträtin Kirsten Dinnebier und K.L.S.P-Kuratorin Bettina Pelz bei der Eröffnung der Kunstintervention „Blauer Wurf“ mit der tunesischen Künstlerin Mouna Jemal Siala auf dem Rudolphsplatz.
30.08.2022
Stadt Marburg/Marburg800
KUNST.LABOR.STADT.PLATZ

Blauer Wurf am Rudolphsplatz: Mouna Jemal Siala zeigt maßgeschneiderte Kunst

Ganz in Blau zeigt sich der Rudolphsplatz: In der Veranstaltungsreihe „KUNST.LABOR.STADT.PLATZ“ gibt es dort seit dem Wochenende eine neue Kunstintervention. Im Mittelpunkt stehen diesmal raumgreifende Arbeiten der Künstlerin Mouna Jemal Siala unter dem Titel الزرقاء (Arramya Azzarqa) / La jetée bleu / The Blue Throw (dt. der blaue Wurf). Die Ausstellung feiert Premiere in Marburg. Noch bis zum 11. September ist die Installation im Herzen der Stadt zu sehen. Zur Eröffnung spielte das Duo ArcEnCiel.

Eigens für den Platz im Herzen von Marburg entwickelt Siala großformatige, textile Installationen, die die Passant*innen zum Entdecken einladen. Die Künstlerin arbeitet mit blauem transparentem Tuch, mit dem sie die vorgefundene Architektur verdeckt, verformt und modelliert. Die Besucher*innen selbst werden Teil der Installation, indem sie beim Durchschreiten Öffentliches und Verstecktes, Verhülltes und Offengelegtes durch die farbigen Stoffe neu und anders wahrnehmen. So soll ein Spiel mit den Perspektiven und Potentialen des städtischen Raums entstehen: als Durchgangsort, als Passage, aber auch als Aufenthaltsort, der zwischen Stadt und Flussufer mehr und mehr zum Verweilen einlädt.

„In diesem Jahr beleben wir diesen Ort künstlerisch als einen lebenswerten Ort. Durch Austausch und Begegnung und dadurch, dass wir Perspektivwechsel wagen – genau das, was uns zusammenbringt“, sagte Stadträtin Kirsten Dinnebier zur Eröffnung der Kunstintervention von Mouna Jemal Siala. „Diese Intervention schenkt uns neue Perspektiven auch in der Art, wie wir Kunst verstehen wollen – aus der Perspektive einer Frau, einer Mutter, einer Künstlerin.“ Kirsten Dinnebier schloss ihre Ansprache mit dem Wunsch, dass jede*r bei der Entdeckung des altbekannten Platzes im besten Wortsinn „manch‘ blaues Wunder“ erleben möge. Die textile Kunstinstallation ist bis zum 11. September auf dem Rudolphsplatz zu besichtigen.

Während der Ausstellungsfeier am Wochenende führten K.L.S.P-Kuratorin Bettina Pelz und Mouna Jemal Siala im Dialog in die Arbeit der Künstlerin ein, die enge Kontakte ins tunesische Sfax, Partnerstadt der Universitätsstadt Marburg, pflegt. Die Situation der Künstler*innen in Sfax sei schwierig, sagt Siala auf Nachfrage zwischen Französisch und Englisch wechselnd. „Es gibt viele Potenziale, aber die Strukturen fehlen für künstlerisches Schaffen in der Öffentlichkeit.“ Mouna Jemal Siala arbeite in ihrer Kunst viel mit Portraits, was ihr die Beobachtung ihrer selbst ermögliche und für sie Nachdenken und Reflexion bedeute. Auch in der Passage am Rudolphsplatz hat Siala für diese Intervention in Marburg Portraits angefertigt von Menschen, die mit dem Rudolphsplatz in Verbindung stehen.

Zur Ausstellung gehört auch die Spiegel-Installation auf einem mittig am Ort platzierten blauen Container. Wie die Kuratorin Bettina Pelz erklärte, lädt diese Installation Betrachter*innen ein, innezuhalten, den Moment wahrzunehmen und auch ein zweites Mal hinzusehen. „Interventionen für Orte wie hier bedeutet für Mouna Jemal Siala auch Beobachtungen“, sagte Pelz. Diese blauen Tücher schaffen demnach auf dem Platz im Herzen der Stadt (Farb-) Räume. Begleitet wurde die Vernissage vom Duo ArcEnCiel: Die Flötistin Liene Krole und die Harfenistin Helene Schütz griffen experimentell mit musikalischen Impressionismus Motive der Installation auf.

Die 1973 in Frankreich geborene tunesische Künstlerin Mouna Jemal Siala schafft Zeichnung und Malerei, Fotografie und Videografie, Installation und Intervention. Wiederkehrende Themenstränge in ihren Arbeiten sind Identität, Erinnerung und kulturelles Erbe. Sie bearbeitet in ihren großen Installationen Themen wie Materialien, Körper im Raum sowie biografische Erfahrungen. In Deutschland war sie zuletzt 2013 mit einer Ausstellungsbeteiligung im „Zentrum für Kunst und Medien“ (ZKM) in Karlsruhe. Das Kunstprojekt am Rudolphsplatz ist ihre erste Einzelausstellung in Deutschland.

Mouna Jemal Siala stellte ihre Arbeiten bereits international aus – unter anderem bei den Biennalen Rabat (2019), Dakar (2018/2016/2010), Marrakesch (2018/2016), Addis Abeba (2016), Kairo (2015) Bamako (2009). Außerdem war sie zu Ausstellungsprojekten nach Algier, Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Mali, Marokko und den USA eingeladen. Sie beteiligt sich regelmäßig an Projekten wie SEE DJERBA Houmt Souk (2019), INTERFERENCE Tunis (2018), UTOPIES VISUELLES Sousse (2018), DREAM CITY in Tunis (2012/2013).

„KUNST.LABOR.STADT.PLATZ“ ist eine Projekt- und Veranstaltungsreihe im Rahmen von Marburg800 und den Jubiläumsschwerpunkt „Marburg erfinden“. Initiatorin ist die AG KUNST, ein Zusammenschluss von Marburger Kunstprojekten und Institutionen, u. a. der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), die FotoCommunityMarburg, das Institut für Bildende Kunst, das Institut für Kirchenbau und Kunst der Gegenwart, die KunstWerkStatt, der Marburger Kunstverein und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Kuratorin ist Bettina Pelz.

Weitere Informationen finden Sie auf der Projektseite von KUNST.LABOR.STADT.PLATZ.

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