Ausstellung noch bis zum 24. August
Ausstellung zum jüdischen Leben schließt beschwingt mit Kabarett
Finissage am 24. August um 18 Uhr im historischen Rathaussaal
Ganz normale Alltagsgegenstände von der Wanduhr bis zur Streichholzschachtel haben drei Monate lang im Rathaus individuell, bunt und vielschichtig vom Leben und der Geschichte jüdischer Marburger*innen erzählt. Zum Abschluss lädt uns der jüdische Musiker und Kabarettist Aliosha Biz bei seiner Deutschlandpremiere ein, an seiner Geschichte teilzuhaben. Ein Programm „Der Fiddler ohne Ruf“ ist ein russisch-jüdischer Kabarett-Reigen mit „a bissele a Muzik“ und viel politisch inkorrektem, slawischem, jüdischem und sonstigem Humor.Aliosha Biz wurde in Moskau geboren. Wie alle sowjetischen Kinder musste er bei der Erdäpfelernte helfen und Geige spielen. Als diese kaum zumutbare Kindheit vorbei war, entschied er sich eines Tages, in die Stadt seiner Großeltern, nach Wien überzusiedeln, wo er noch am selben Abend am Südbahnhof ausstieg. Heute unterhält der Künstler sein Publikum mit skurrilen russisch-jüdischen Geschichten, lässt Oligarchen als politische Strippenzieher auftreten und erklärt, wie man als Osteuropäer Tiroler Dialekt sprechen lernt. Geige spielt er dazu auch noch. Wenn er will.
Die Universitätsstadt Marburg und die Religionskundliche Sammlung der Philipps Universität laden zu einem beschwingten Ausklang einer Ausstellung ein, die ihrerseits das jüdische Leben, und auch das jüdisch-russische Leben spiegelte. Denn in Marburg stammen viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft aus Osteuropa. So ist nicht unwahrscheinlich, dass nicht nur die Mitwirkenden an der Ausstellung, sondern auch viele ihrer Besucher etliches aus dem Programm schmunzelnd wiedererkennen und manches staunend neu entdecken werden.
Mehr über die Ausstellung
„Jüdisches Leben in unserer Stadt ist bunt und vielschichtig. Das zeigt die neue Ausstellung mit Gegenständen, die für Marburger Jüd*innen Alltag in der Gegenwart bedeuten“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zur Eröffnung der Ausstellung im Rathaus. „Aber warum machen wir jüdisches Leben in der Gegenwart so sichtbar? Weil wir keine Sekunde darüber hinwegsehen wollen, wie verwundbar jüdisches Leben auch heute noch ist. Deswegen machen wir deutlich, wie gegenwärtig, selbstverständlich und wie sehr ein Teil von uns das jüdische Leben in Marburg ist.“
„Es ist unsere Verantwortung, die Voraussetzungen zu schaffen, dass jüdisches Leben sich hier voll entfalten kann“, sagte auch die Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn. Zwei Dinge seien dazu nötig: Die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens.
„Dieses Projekt zeigt einmal mehr, wie sehr Uni, Stadt und Stadtgesellschaft kulturell miteinander verbunden sind“, so Uni-Präsident Prof. Dr. Thomas Nauss. Die Ausstellung zeige Menschen in ihrer Lebenswelt und ihrer religiösen Praxis. „Erinnerungsstücke sind vielleicht der persönlichste Zugang zu der Geschichte der Menschen.“ Das bestätigten auch die Kuratorinnen Dr. Susanne Rodemeier und Alisha Meininghaus, die die Interviews mit neun ganz unterschiedlichen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde für die Ausstellung geführt haben. „Das Objekt als Gesprächseinstieg war optimal. Wir haben dann Gespräche führen dürfen, die von Vertrauen getragen waren.“ Viele Stunden seien über diese Interviews ins Land gegangen. „Sie haben uns die Möglichkeit gegeben zu verstehen, was es im Alltag bedeutet, jüdisch zu sein“, bedankte Rodemeier sich. Die Ausstellung mache nun die Geschichte hinter einem Schachbrett oder einer Wanduhr erfahrbar, ergänzte Meininghaus.
Die Ausstellung eröffneten Stadt und Uni gemeinsam mit den Familien und Freund*innen der neun Befragten sowie mit Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, mit Polina Solovej, der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Marburg und mit Prof. Dr. Edith Franke, Professorin für allgemeine und vergleichende Religionswissenschaft und Leiterin der Religionskundlichen Sammlung.
Eröffnet wurde mit der Ausstellung auch ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk: Die Firma Inosoft hat zum Stadtgeburtstag die alte Synagoge am Obermarkt aus dem 14. Jahrhundert virtuell nachgebildet – und lädt nun dazu ein, sie mit VR-Brillen zu besuchen. Auf der Grundlage von alten Zeichnungen, Fotos der Ausgrabungsstätte und Hinweisen von Historiker*innen wurde das Gebäude maßstabsgetreu so nachempfunden, dass es mit einer Datenbrille nahezu real erlebbar ist. Die Brillen liegen bei der Firma Inosoft (Im Rudert 15) bereit. Die Nutzung ist kostenlos. Weitere Orte, an denen die VR-Brillen ausprobiert werden können, werden hinzukommen. Auch beim Tischlein-deck-dich auf der gesperrten Stadtautobahn am 5. Juni waren die VR-Brillen zum Testen dabei.
Die Ausstellung „Jüdisches Leben in Marburg: Erinnern schafft Identität“ ist während der Öffnungszeiten des Rathauses, montags bis mittwochs von 7 bis 16 Uhr, donnerstags von 7 bis 18 Uhr und freitags von 7 bis 12.30 Uhr zu sehen. Führungen finden dienstags um 12 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.
„Jüdisches Leben in Marburg: Erinnern schafft Identität“ im Rathaus ist eine der zentralen Ausstellungen zum Stadtjubiläum. Entstanden ist die Ausstellung unter inhaltlicher Federführung der Religionskundlichen Sammlung der Universität.
Öffnungszeiten: montags bis mittwochs von 7 bis 16 Uhr, donnerstags von 7 bis 18 Uhr und freitags von 7 bis 12.30 Uhr. Führungen finden dienstags um 12 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.
FEIERLICHE ERÖFFNUNG
24. Mai, 18 Uhr, Rathaus
NACHT DER KUNST
24. Juni, 18 bis 23 Uhr, Rathaus
Im Gespräch mit der Kuratorin Dr. Susanne Rodemeier
PODIUMSGESPRÄCH
28. Juni, 19 Uhr, Rathaus
Jüdisches Leben: Vom Weggehen und Ankommen.
AUSSTELLUNGSÖFFNUNG MIT ANWESENHEIT DER KURATORIN
8. Juli, 17 bis 20 Uhr, Rathaus
Kuratorin Dr. Susanne Rodemeier ist anwesend
AUSSTELLUNGSÖFFNUNG MIT ANWESENHEIT DER KURATORIN
9. Juli, 17 bis 23 Uhr, Rathaus
Kuratorin Dr. Susanne Rodemeier ist anwesend
ÖFFENTLICHE HAVDALAH-FEIER NACH SCHABBATAUSGANG
9. Juli, 21.37 Uhr (pünktlich), Rathaus
mit Thorsten Schmermund
AUSSTELLUNGSÖFFNUNG MIT ANWESENHEIT DER KURATORIN
10. Juli, 10 bis 15 Uhr, Rathaus
Kuratorin Dr. Susanne Rodemeier ist anwesend
Um 10 Uhr, 11 Uhr und 12 Uhr zeigt und erklärt Thorsten Schmermund religiöse Objekte aus dem jüdischen Ritus
KONZERT UND VORTRAG
14. Juli, 19 Uhr, Aula, Alte Uni
mit Jascha Nemtsov
IM GESPRÄCH
31. Juli, 11 Uhr, Rathaus
mit Thorsten Schmermund, Jüdische Gemeinde
ABSCHLUSS
24. August, 18 Uhr, Rathaus
Judentum in Liedern und Texten
Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.
IM GESPRÄCH MIT THORSTEN SCHMERMUND:
FRAGEN ZUM JUDENTUM
Mehr zum Erlebnis „Virtuelle Synagoge“
Durch das Marburg800-Projekt der Marburger IT-Firma Inosoft können Besucher*innen mit Virtual-Reality-Brillen in das 14. Jahrhundert eintauchen und die mittelalterliche Synagoge am Obermarkt in der damaligen Zeit erleben. Auf der Grundlage von alten Zeichnungen, Fotos der Ausgrabungsstätte und Hinweisen von Historiker*innen wurde das Gebäude maßstabsgetreu so nachempfunden, dass es mit einer Datenbrille nahezu real erlebbar ist. So sind beispielsweise Marktgeräusche zu hören, wenn man bei flackerndem Kerzenschein das virtuelle Gotteshaus betritt. Durch das alte Gemäuer schreitend, gelangen die Besucher*innen zum Torahschrank und auf nie zuvor gesehene Weise wird die mittelalterliche Synagoge mit fast allen Sinnen wieder erfahrbar.
Die Idee, die in den 90er-Jahren bei Bauarbeiten entdeckte mittelalterliche Synagoge virtuell wieder aufzubauen, ist ein Marburg800-Projekt, das die Jubiläumsschwerpunkte erinnern, erleben und erfinden verbindet: „Der Gegenstand ist die Geschichte, die Methode die Zukunft, die Erfahrung die Gegenwart“, freut sich Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und lädt alle zur Ausstellungseröffnung ein, bei der Inosoft-Vorstand Thomas Winzer und seine Mitarbeiter*innen auch die Erlebnisreise über Virtual-Reality-Brillen vorstellen werden. Die Marburger IT-Firma hat als Sponsor die „Realität“ der „Virtuellen Synagoge“ entwickelt und stellt das Ergebnis der Marburger Stadtgesellschaft und allen anderen Interessierten unentgeltlich zur Verfügung.
Seit dem 25. Mai liegen die Virtual-Reality-Brillen zum Ausprobieren bei der Firma Inosoft (Im Rudert 15) bereit. Die Nutzung ist kostenlos.