Was wirkt gegen Rassismus, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit auf kommunaler Ebene? Darüber hat die Stadt TACHELES geredet – bei der dritten Vernetzungskonferenz. Bei einer Podiumsdiskussion ging es darum, was Kommunen tun können, was jede*r Einzelne tun kann, um Rassismus, Hass und Hetze entgegenzuwirken. In Workshops gaben die Teilnehmenden neue Impulse für das städtische Handlungskonzept für Dialog und Vielfalt.
„Wir haben in Marburg eine klare Haltung: Wir sind weltoffen, tolerant und international. Hier gibt es keinen Platz für irgendeine Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, machte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zu Beginn der Vernetzungskonferenz „TACHELES!“ deutlich. Aber: Auch in Marburg gebe es Rassismus und Ausgrenzung – nicht explizit, öffentlich aber eben unterschwellig. „Auch hier fragen sich Menschen, ob sie mit nicht deutsch klingendem Namen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen oder die Möglichkeit, sich eine Wohnung anzuschauen.“ Für die Stadt sei es wichtig, sich hier immer wieder zu fragen, was sie tun könne, wie sie Menschen stärken könne, was sie selbst noch besser machen könne. Mit dem Konzept für Dialog und Vielfalt habe Marburg sich auf den Weg gemacht. Dieses Konzept müsse konsequent umgesetzt und mit Leben gefüllt werden. Denn: „Die richtige Haltung ist eine feine Sache. Aber das richtige Handeln ist das, worauf es ankommt!“
Mit Nora Zado (Demokratiezentrum Hessen), Dr. John Kannamkulam (einer der Gründungsstifter*innen der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus in Deutschland und seit 2016 Schirmherr der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Hanau) und Sylvie Cloutier (Vorsitzende des Marburger Ausländerbeirats) sprach Spies über das richtige Handeln. Moderiert wurde die Diskussion von Diversity-Trainerin Dr. Nkechi Madubuko. Das Publikum beteiligte sich rege mit Erfahrungen aus dem Alltag, mit Fragen und Anregungen an dem Gespräch im TTZ.
Zado warb dabei für das Demokratiezentrum, das professionelle Berater*innen für Probleme im Bereich Rassismus, Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus habe. „Wir helfen auch überall dort, wo die Demokratie und die demokratischen Strukturen zu Schaden kommen“, betonte sie. Ein großes Thema seien insbesondere im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen die Anfeindungen gegen Bürgermeister*innen geworden. Wichtige Arbeit sei zudem der Aufbau von Strukturen für den Dialog und die Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung in den Kommunen. Kannamkulam betonte, dass potentiell Betroffene die Angebote der Partizipation auch annehmen müssten: „Es braucht auch politische Repräsentation der eigenen Themen“, warb er.
Bei Cloutier wurde deutlich, dass bei der Ausländerbehörde der Bedarf nach Beratung zu Wohnrecht und Aufenthaltsrecht weiter zunehme. „Immer wichtiger wird aber auch der Wunsch nach Beratung zu Problemen in der Bildung und Schule.“ Derzeit erarbeite der Ausländerbeirat, wie er sich dieses Themas annehmen könne.
Deutlich wurde bei der Konferenz auch der Wunsch nach Schulungen für Beobachter*innen von Diskriminierung – und die Frage, wie man Menschen flächendeckend sensibilisieren könnte. Spies betonte in dem Rahmen, dass die Stadt Marburg eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet habe, dass sie auf Bürger*innen zugehe und Befragungen zum Thema an den Haustüren mache, dass sie Antidiskriminierungstrainings anbiete. Aber generell gelte: Wenn Leute diskriminiert werden – egal wo - dann sollen sie sich melden: „Nur wenn wir davon wissen, können wir ins Gespräch kommen, sensibilisieren und konkret etwas tun.“
Bei einer Infomesse haben sich dann im Anschluss an die Podiumsdiskussion Organisationen, Vereine und Initiativen vorgestellt, die sich in Marburg und darüber hinaus gegen Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit einsetzen. Im dritten Teil der Veranstaltung wurden in Workshops die Themen Klimaschutz und Rechtsextremismus, wirksame Antidiskriminierungsmaßnahmen in KiTas und die Weiterentwicklung des städtischen Handlungskonzepts „Für Dialog und Vielfalt – Gegen Rassismus, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit“ vertieft.
Hintergrund
„TACHELES!“ ist Teil des Handlungsprogramms „Für Dialog und Vielfalt – Gegen Rassismus, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit“. Entlang der Schwerpunkte Antidiskriminierung, Dialog und Beteiligung, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit sowie lokale Forschung werden im Rahmen des Konzepts Pilotmaßnahmen entwickelt und umgesetzt. Zivilgesellschaftliche Initiativen können für ihr Engagement zu Dialog und Vielfalt zudem ein städtisches Förderprogramm beanspruchen. Ziel der Vernetzungskonferenz ist es, nach neuen Impulsen für innovative und erfolgreiche Maßnahmen gegen Rassismus und Ausgrenzung auf kommunaler Ebene zu suchen und auf dieser Basis das städtische Handlungsprogramm „Für Dialog und Vielfalt – Gegen Rassismus und Ausgrenzung“ weiterzuentwickeln.